Die Jürgen Wahn Stiftung e.V. eröffnet Kindern von der Mülldeponie in Guatemala neue Chancen
von Martin Huckebrink
Ein riesiger See, im Hintergrund thront ein erloschener Vulkan. Bilder wie aus dem Reisekatalog und Inspiration für Werbelyrik über traumhafte Landschaften, einmalige Naturerfahrungen und unvergessliche Reiseerlebnisse. „Ja, unser Land ist sehr schön“, sagt Christian Aponte und klickt weiter zum nächsten Bild: Ein Gebirge aus Müll, aus Abfällen aller Art. Vögel kreisen darüber auf der Suche nach Nahrung. Menschen stampfen durch die bizarre Landschaft aus Plastik, Holz, Metall und Lebensmittelresten. Sie suchen nach allem, was noch irgendwie verwertbar, was man noch verkaufen oder selber gebrauchen kann. „La fábrica“, die Fabrik, nennen die Menschen die Müllkippe in einem gigantischen Tal am Rande von Guatemala-Stadt. Ein endloser Strom von Lkw liefert den Müll der Millionenstadt jeden Tag an. Die voll gestopften Laster sind die Lebensgrundlage für die Menschen, die am Rand des Müllbergs in primitiven Hütten leben. Der Abfall ernährt sie. Kinder und Erwachsene arbeiten auf der Deponie Es gibt Hierarchien, genaue Zuordnungen. – Es ist ein Teufelskreis der Armut.
Guatemala ist ein kleines Land in Mittelamerika. 17,3 Millionen Menschen leben hier. Die sozialen Gegensätze sind brutal. Korruption und Bürgerkrieg hatten den Staat über Jahrzehnte im Griff. Seit Anfang dieses Jahres ist eine neue Regierung an die Macht. Sie will das Land befrieden und hat der Korruption den Kampf angesagt.
Christian Aponte ist Arzt. Seit Jahrzehnten kämpft er zusammen mit seiner Frau Rosi, einer Psychotherapeutin, dafür, dass die „Kinder der Mülldeponie“ eine bessere Zukunft haben. Aponte ist Vorsitzender von CAFNIMA. Die Organisation organisiert Bildungs- und Ausbildungsangebote für Kinder und Jugendliche in der „Casita Amarilla“, dem gelben Haus am Rande der Deponie. Seit langem unterstützt die Jürgen Wahn Stiftung (JWS) diese Arbeit.
Christian und Rosi Aponte waren jetzt zu Besuch bei Klaus Schubert, Vorsitzender der JWS, und berichteten bei einer Veranstaltung in den Räumen des Kreiskunstvereins an der Jakobistraße über die aktuelle Situation.
Insgesamt werden 402 Kinder Jugendliche betreut. Gut die Hälfte bekommt eine direkte finanzielle Unterstützung der JWS. Bei der Unterstützung geht es um die schulische Ausbildung. Hier versagt der Staat. „Wir übernehmen seine Arbeit“, sagt Christian Aponte. Oft arbeiten die Kinder einen Teil des Tages auf der Mülldeponie, um so zum Lebensunterhalt ihrer Familien beizutragen, und gehen dann noch zur Schule. Unterstützung bedeutet auch, den oft allein erziehenden Müttern Hilfe beim Umgang mit ihren Kindern anzubieten. Die JWS hat auch bei der Erweiterung der Casita Amarilla mitgeholfen. Aus den kleinen Häuschen ist inzwischen ein stattliches Gebäude geworden, in dem auch eine Berufsschule erfolgreich gestartet ist.
Viel Spendengeld ist in den vergangenen Jahrzehnten nach Guatemala geflossen. Die Slums an der Deponie bleiben riesig, die Familien leben am Existenzminimum. Sind die Spenden also gut angelegt? Rosi und Christian Aponte berichten von einem jungen Mann, der als Lehrer in der Casita unterrichtet und selber als Kind auf der Deponie gearbeitet hat. Und von dem Bauunternehmer, der Neubau am gelben Haus errichtet hat. Auch er ist in einer der Hütten groß geworden. Die Förderung der Mädchen liegt Rosi Aponte besonders am Herzen: „Sie sollen etwas lernen, nicht so früh heiraten und Kinder bekommen.“
Und dann zeigen die Apontes noch Dankeschönbriefe und „Wunschzettel“ von Kindern und Jugendlichen. „Ich möchte Arzt werden“, schreibt einer. Von einer Karriere als Rechtsanwalt träumt ein anderer. „Ja“, sagen die Apontes“, „das Geld ist gut angelegt. Denn ohne die Jürgen Wahn Stiftung stünden viele heute auf der anderen Seite des Lebens.“ Auf der dunkleren Seite.