Seit Anfang August hat die Jürgen Wahn Stiftung zwei Praktikantinnen in ihrem Kooperationsprojekt „Casita Amarilla“ in Zone 3 der guatemaltekischen Hauptstadt Guatemala-City eingesetzt.
Juliane von Boeselager beschäftigt sich mit der Evaluation des Mikrokredite-Projekts, das unsere Partnerorganisation CAFNIMA in Slumvierteln von Guatemala-City und Umgebung durchführt. Außerdem unterstützt Juliane das Mikrokredite-Team bei der Verbesserung der internen Prozesse und Kontrollen.
Lisa Rettler entwickelt ein Bewegungsprogramm für die Kinder der Guardería, der Kita in der Casita Amarilla für allein gelassene Kinder aus den umliegenden Slums.
Hier die ersten Berichte:
1. Von Juliane von Boeselager:
Vorbemerkung: Juliane’s Bericht zeigt die Situation um die Mikrokredite in der Casita Amarilla auf. Dank ihrem Studium und einem Praktikum bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kann sie die Entwicklungen und Probleme im Projekt gut herausarbeiten und Lösungsansätze entwickeln.
Das Mikrokredite-Programm wurde vor 15 Jahren gegründet und umfasst Stand August 2015 knapp 900 Teilnehmer, mit einem Frauenanteil von 90%. Seit Dezember 2014 hat das Programm leider kontinuierlich an Teilnehmern verloren. Ursprünglich hatte Dr. Christian Aponte, der Gründer von CAFNIMA, für meinen Aufenthalt als Hauptaufgabe eine Wirkungsanalyse der Mikrokredite geplant. Anhand von Fragebögen und Interviews mit den Kreditnehmerinnen versuche ich zu ermitteln, welchen Nutzen (dies umfasst sowohl wirtschaftliche Aspekte als auch eine Verbesserung der Gesundheit und Bildung der Frauen) die Frauen aus den Mikrokrediten ziehen. Aufgrund der aktuellen Situation hat mich Christian Aponte weiterhin gebeten, das Team bei einer Verbesserung der internen Prozesse zu unterstützen.
Mit der Mikrokredite-Beraterin Karla Chávez (zweite Reihe, Mitte) besuche ich das Treffen einer Gruppe von Kreditnehmerinnen in der Zone 8
Die negative Entwicklung der Kreditnehmerzahlen führt Christian Aponte auf diverse Faktoren zurück. Unter anderem gibt es immer mehr konkurrierende Organisationen. Diese verlangen – im Gegensatz zu CAFNIMA – keine Sicherheiten zur Hinterlegung der Mikrokredite (z.B. Fernseher und Stereoanlagen), holen keine Bonitätsauskunft ein und sind daher oft schneller in der Bearbeitung neuer Kreditanträge als das Team von CAFNIMA. Allerdings verlangt die Konkurrenz im Gegenzug höhere Zinsen und bedroht teilweise die Kreditnehmer bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist unter Einsatz von Waffen. Viele Menschen lockt das schnelle Geld, die damit verbundenen Konditionen werden jedoch erst später erkannt. So verlassen manche Frauen das Programm von CAFNIMA, wenden sich anderen Organisationen zu und kehren nach einiger Zeit wieder zurück.
Das Mikrokredite Team – Carla, Oti, Aracely, Eva, Rebeca und Karla vor zwei Bildern, die Jürgen Wahn und den Vorstand der Stiftung zeigen
Weiterhin wird die Arbeit des Teams auch von der zunehmenden Gewalt in Guatemala-Stadt negativ beeinflusst. So ist CAFNIMA gezwungen, sich aus besonders gefährlichen Stadtteilen zurückzuziehen und verliert damit weitere Programmteilnehmer. Zu groß ist das Risiko, dass die Kredit-Beraterinnen bei ihren Besuchen der Kreditnehmerinnen überfallen werden könnten.
Als Reaktion auf die negative Entwicklung der Teilnehmerzahlen hat Christian Aponte mich darum gebeten, eine Arbeitsgruppe zu leiten, um sämtliche internen Prozesse, insbesondere den Kreditvergabeprozess, in kurzer Zeit zu analysieren, um diese im nächsten Schritt zu vereinfachen und verbessern. Gleichzeitig entwickeln Eva Morales und ich diverse Ideen, um neue Programmteilnehmerinnen zu gewinnen und damit das Programm zu stärken. Ich hoffe sehr dazu beitragen zu können, dass sich das Programm wieder positiv entwickelt und ich den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen erleichtern und sie damit in ihrem Arbeitsalltag unterstützen und motivieren kann.
In diesen Tagen arbeite ich täglich mit der Teamleiterin Eva Morales an der Verbesserung der internen Prozesse
In diesen Tagen arbeite ich täglich mit der Teamleiterin Eva Morales an der Verbesserung der internen Prozesse
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Eva Morales, die Leiterin des Mikrokredite-Programms, ihre Assistentin Rebeca Gómez und die vier ‚asesoras de crédito’ (Mikrokredite-Beraterinnen) ebenso wie Armando Pantzey, der Buchhalter, eine sehr gute Arbeit leisten. Die Mikrokredite-Beraterinnen verfügen über viel Erfahrung im Umgang mit dem Kreditnehmerinnen und haben exzellente Ortskenntnisse. Diese sind besonders wichtig, da die Adressen in den Slums nur sehr schwer zu finden sind. Zu den Kreditnehmerinnen haben sie ein sehr gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Die Arbeit der Kredit-Beraterinnen ist momentan sehr bürokratisch, viele Dokumente werden per Hand ausgefüllt. Daher ist ein Ziel der Überarbeitung der internen Prozesse, weitere Arbeitsschritte zu automatisieren und damit die Arbeit des Teams zu erleichtern. Mein Eindruck ist, dass besonders der Teamleiterin Eva das Projekt persönlich sehr am Herzen liegt. Dies erklärt auch ihren unermüdlichen Willen und Arbeitsbereitschaft.
Fernseher und Gasherde werden oft als Sicherheiten für die Mikrokredite hinterlegt. Diese werden zu Dokumentationszwecken fotografiert
Meine Tätigkeit bei CAFNIMA bietet mir viele spannende Einblicke in die Arbeit des Mikrokredite-Teams und insbesondere in das Leben der Kreditnehmerinnen, das oft von Armut und Schicksalsschlägen geprägt ist. Viele Frauen haben bereits ein oder mehrere Familienmitglieder verloren. Umso erfreulicher ist es für mich zu erfahren, dass die Mikrokredite einigen Frauen ein besseres Leben ermöglichen.
Die Eröffnung der neuen Gruppe gibt mir gleichzeitig Gelegenheit, mit den Frauen über ihre Lebenssituation und ihre Erwartungen an das Mikrokredite-Programm zu sprechen. Diese Erzählungen helfen mir für die Wirkungsanalyse des Projektes.
Ich begleite Karla Chávez und Eva Morales bei der Eröffnung einer neuen Gruppe von Kreditnehmerinnen. Das Plakat enthält die wesentlichen Kreditkonditionen.
Glücklicherweise habe ich genug Zeit, auch außerhalb meiner Tätigkeit bei CAFNIMA Land und Leute kennenzulernen. Lisa und ich haben eine sehr gute Verbindung zu unserer „Vermieterin“ Beatriz Vasquez, die uns nicht nur eine Wohnung zur Verfügung stellt, sondern sich insgesamt sehr lieb um uns kümmert. Um 07:30 Uhr wartet sie jeden Tag mit einem wunderbaren Frühstück auf uns. Das Mittagessen bekommen wir aus der Kindertagesstätte von CAFNIMA. Abends essen wir gemeinsam mit Beatriz’ Familie, also mit ihrem Vater und den drei Kindern. Aus Sicherheitsgründen schaut Beatriz auch, dass wir nach dem Abendessen sicher in unsere 50m entfernte Wohnung gelangen. Für den sportlichen Ausgleich besuchen Lisa und ich mit Beatriz’ Tochter Karisha ein Fitnessstudio. Außerdem singe ich im Chor der deutschen Epiphanias Gemeinde. Am vergangenen Wochenende sind wir an den Atitlán See gefahren und haben eine Wanderung auf den Vulkan San Pedro unternommen. Beatriz hat uns zu dem Busterminal begleitet und geholfen den richtigen „Chicken Bus“ zu finden. Am kommenden Samstag besuchen wir Antigua, die alte Hauptstadt Guatemalas. Insgesamt haben wir uns sehr gut eingelebt und hoffen noch viele Seiten dieses wunderschönen Landes kennenzulernen!
2. Von Lisa Rettler
Vorbemerkung: Seit Anfang August ist Lisa Rettler in der Casita Amarilla in Guatemala-City tätig. Mit ihren Erfahrungen aus ihrem Sport-Studium an der Sporthochschule Köln entwickelt sie ein Bewegungs- und Sportprogramm für die Kinder aus den umliegenden Slums, die in die Kita der Casita Amarilla gehen.
Die ersten 3 Wochen in der Casita Amarilla sind nun schon vorbei und in dieser Zeit ist schon einiges passiert. Anfangs war noch nicht klar definiert welche konkrete Aufgabe ich in der Casita haben sollte. Eins war aber klar, Ziel sollte es sein den Kindern und Jugendlichen ein besseres und vielfältigeres Bewegungsangebot zu bieten. Somit bestand die erste Woche hauptsächlich auch Meetings um zu besprechen wie ich am besten eingesetzt werden kann.
Die Kinder im Alter von 1-6 Jahren, die täglich in die Guarderia kommen, stammen meist aus ärmlichen Verhältnissen oftmals wohnen ihre Familien in den Slums nahe der Mülldeponie. Die Guarderia entspricht etwa einer deutschen Kindertagesstätte, hier kommen die Kinder morgens um 7.30 Uhr an und werden etwa um 5 Uhr nachmittags wieder abgeholt. Der Morgen in der Casita verläuft sehr strukturiert ab, die Kinder bekommen Frühstück, danach wird gebastelt, gemalt oder etwas Kreatives gemacht. Anschließend gibt es eine Zwischenmahlzeit in Form von Obst, damit die Kinder auch jeden Tag etwas Gesundes bekommen. Bei den „Großen“, die im Alter von 4-6 Jahren sind, wird dann meist etwas gelernt, z.B. Farben, Formen, das Sonnensystem mit ihren Planeten, Tiere, etc. Bevor es dann Mittagessen gibt, haben die Kinder etwa 45 Minuten Zeit um auf dem Klettergerüst zu spielen. Einen Platz um sich draußen zu bewegen gibt es leider nicht und auf der Straße spielen ist leider zu gefährlich. Nach dem Mittagessen, schlafen dann alle Kinder 2 Stunden und dann ist der Tag für die Kinder auch schon fast vorbei. Aufgefallen ist mir dabei sehr deutlich das die Kinder sehr wenig Zeit haben um sich komplett frei zu bewegen, da in der Casita leider der Platz und vermutlich auch die Zeit fehlt. Nach einigen Besprechungen mit Roberto, dem Projektleiter und Delfi, der Leiterin für den Bereich der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, waren die Wünsche seitens der Einrichtung, Sport mit den Kinder zu machen aber ohne das es nur „reines Spielen mit einem Ball“ ist.
Meine Idee ist es dann gewesen ein Sportprogramm für die Guarderia aufzustellen, welches nicht nur den reinen Bewegungsfokus hat sondern auch mit den Themen wie Farben, Formen, Zahlen, etc. verbunden ist. Die verschiedenen Übungen mit konkreten Anweisungen bezüglich Material, Zeit, Dauer, etc. werden dann in eine Art nachhaltiges Handbuch verfasst, sodass die Erzieherinnen und Mütter, das Sportprogramm auch durchführen können wenn ich nicht mehr vor Ort bin.
Die größte Problematik bei der Entwicklung des Sportprogramms ist, das in der Casita leider kaum Material zur Verfügung ist um tatsächlich Sport zu machen und auch motorische Fähigkeiten zu fördern. Der aktuelle Bestand sind ca. 6 Hula Hoop Reifen, einer Kiste Plastikbälle und ein Indoor-Klettergerüst.
Da ich aber schon direkt in der zweiten Woche mit dem Sportprogramm anfangen sollte, ist Improvisation gefragt. Zurzeit benutze ich einfache Gartenstühle, Decken, und Tische aus den Gruppen um überhaupt etwas mit den Kleinsten (1-3) machen zu können. Für die größeren Kinder war dann die Idee, in die Garage der Casita zu gehen um sich dort zu bewegen, da die Gruppenräume sehr wenig Platz bieten. Leider musste dieser Plan oft über den Haufen geworfen werden, da in der ersten Woche, Freiwillige aus den USA die Garage gestrichen haben. An vielen Tagen sind dort zusätzlich die Zusammentreffen der Mikrokreditgruppen, somit muss ich an den Tagen wieder auf die Gruppen ausweichen.
Ich habe sehr schnell gemerkt, dass die Bewegung der Kinder leider einen geringeren Stellenwert hat. Meist liegt es daran, dass das Wissen fehlt, welchen Effekt Sport auf die Entwicklung der Kinder hat. So weisen viele Kinder starke motorische Defizite auf und sind oftmals ihres Alters entsprechend unterentwickelt.
Um ein besseres Bewegungsangebot zu schaffen, habe ich mir überlegt dass es wichtig ist neues Material (Turnmatte, Springseile, Kasten,…) anzuschaffen, um Bewegungslandschaften zu bauen und vielfältige Möglichkeiten zur gezielten Bewegungsförderung zu schaffen. Nachdem Roberto die Materialidee abgesegnet hat, ist der nächste Schritt nun zu schauen ob und wo man die Materialien bekommt.