Zum Abschluss Ihres 1/2-jährigen Praktikums berichten Mona Happ und Anke Gehring eindrucksvoll über ihre Zeit. In Auszügen folgt hier ihr Bericht:
… Darum möchten wir euch jetzt an unseren schönsten, emotionalsten und lehrreichsten Momenten dieser letzten Monate teilhaben lassen.
Beginnen wir mit Weihnachten. Wir wurden gebeten ein kleines Programm im Kindergarten auf die Beine zu stellen und da willigten wir natürlich mit Freude ein. Wir entschieden uns für einen Tanz zu dem Lied „Rocking around the Christmas Tree“ und einen zu Rolf Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“. Außerdem übten wir einige Lieder mit den Kindern, unter anderem eine albanische Version von Jingle Bells. Die Erzieher gaben den Kindern jeweils noch einem kurzen Vers zum Auswendiglernen mit und schon hatten wir ein tolles Programm auf die Beine gestellt. Zwei Wochen lang übten wir jeden Tag. Die Schwierigkeit dabei war es vor allem die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Kinder zu berücksichtigen. Einige konnten die Schritte am ersten Tag schon besser umsetzen, als Andere es jemals in der ganzen Zeit hätten schaffen können. Aber trotz dieser Herausforderung hatten sie und wir sehr viel Spaß an der Sache. Vormittags übten wir fleißig einen Programmpunkt nach dem Anderen, nachmittags ging es Zuhause an die Vorbereitungen. Kostüme mussten gebastelt oder auf dem Speicher gefunden werden, alte Plastikrohre wurden mit rotem und weißem Lack zu Zuckerstangen-Gehstöcken umfunktioniert. Und all die Mühe hat sich gelohnt. Es war ein toller Moment, als die albanische Kinderschar inbrünstig den Text von „In der Weihnachtsbäckerei“ mit trällerte. Auch Schwester Juditha war sichtlich amüsiert. …
… Das erste große Thema, welches uns am Herzen lag, war die Zahnpflege. Schon in den ersten Tagen im Kindergarten war uns aufgefallen, wie viele Kinder extrem schlechte Zähne hatten. Dies fing an mit schwarzen Flecken und ging bis hin zu komplett schwarzen Zähnen oder einer vollständig zerstörten Schneidezahnreihe. In Kooperation mit der Jürgen Wahn Stiftung war es uns möglich für jedes Kind im Kindergarten eine Zahnbürste, Zahnpasta und einen Zahnputzbecher zu erwerben. Außerdem sechs Tritthocker, damit sie sich beim Putzen im Spiegel angucken und auch die Kleinen das Waschbecken gut erreichen können und ein übergroßes Kiefermodell mit zugehöriger Zahnbürste zu Demonstrationszwecken. Zur Einführung schauten wir mit dem brandneuen – von der Jürgen Wahn Stiftung erhaltenen – Beamer einige Videos zur richtigen Zahnpflege. Warum muss man eigentlich Zähneputzen? Und vor allem wann, wie lange und mit welcher Technik? All dies sind Informationen, die den Kindern hier in Deutschland und auch uns früher regelrecht eingetrichtert wurden. Jedes Kind weiß, dass zum Beispiel Schokolade schlecht für die Zähne ist und man am besten drei Mal am Tag Putzen sollte. In den meisten deutschen Kindergärten ist das Zähneputzen an der Tagesordnung, den regelmäßigen Besuch des Zahnputzwagens erwarten die Kinder mit Freude. …
… Das nächste große Thema, das wir nicht unangesprochen lassen konnten war das „Müll-Problem“. Angemessene Müllentsorgung, geschweige denn Recycling oder die allgemeine Wiederverwertung von Wertstoffen sind in Albanien leider noch nicht wirklich angekommen. Dies führt zu einer Unmenge an Müll in der Natur: an allen Straßenrändern, am Strand, in den Wäldern. Überall. Mal wieder fehlt es lediglich an ein bisschen Bildung. Bei den meisten Erwachsenen ist es vermutlich schon zu spät, also entschieden wir bei der Generation von Morgen anzufangen.
Wir wollten den Kindern zeigen, was man aus vermeintlichem Müll noch alles machen kann. Die Idee war, mit den Kindern Müll sammeln zu gehen und anschließend gemeinsam mit ihnen daraus lebensgroße Figuren mit ausgeschnittenen Gesichtern zu machen. Figuren, die Berufsfelder darstellen, da in Albanien eine große Arbeitslosigkeit und viel Resignation darüber herrscht; um den Kindern zum Träumen zu verhelfen und ihnen zu zeigen, was sie alles erreichen könnten, wenn sie sich nur anstrengen. So fragten wir alle Kinder einzeln nach ihrem Traumberuf. Die acht mit den meisten Stimmen waren: Doktor, Maler, Lehrer, Chauffeur, Polizist, Ballerina, Koch und Fußballer.
Anschließend fuhren mit den 15 Vorschulkindern in einen Waldabschnitt direkt am Strand, der wortwörtlich zugemüllt ist. Endlose Reihen an Plastikflaschen, Styropor, Kleidung, Spielzeug, Schminke und vielem mehr. Einige Familien scheinen ihren vollständigen Haushaltsmüll dort zu entsorgen. Ein Anblick des Schreckens für jeden Deutschen, aber der perfekte Platz für unsere Mission. Jedes Kind bekam einen Handschuh und schon ging die Müllsuche los. Es war ein voller Erfolg! Genau wie wir es uns erhofft hatten, rannten die Kinder emsig wie die Ameisen und mit einem riesen Strahlen im Gesicht hin und her und präsentierten uns stolz Mini-Swimmingpools, Handtaschen, Shampoo-Dosen und Autoreifen.
Direkt am nächsten Tag ging es los mit der Auslese. Die Kinder hatten einen Heidenspaß und schnitten und klebten mit Feuereifer drauf los. Schon innerhalb einer Woche waren die acht Figuren fertig. Der Koch bekam Beine aus Plastiktellern und Haare aus Gabeln, die Ballerina ein Tutu aus rosa Plastiktüten. Der Polizist wurde bestückt mit einer Wasserpistole und der Fußballer bekam ein Trikot aus einem Regenschirm und natürlich einen Fußball. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. …
… Neben diesen zwar erfüllenden, aber auch sehr zeitintensiven Projekten, haben wir es trotzdem geschafft, die letzten Wochen noch voll zu genießen. Wir begleiteten Schwester Martina bei ihrer wöchentlichen Fahrt durch Velipojë, bei der sie die heilige Kommunion an die Menschen verteilt, die zu alt oder zu krank sind, um an der Sonntagsmesse teilzunehmen. Es war eine sehr bewegende Erfahrung. Jeder einzelne dieser Menschen war erfüllt mit Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber den Schwestern. Jeder Einzelne wollte uns zum Abschied etwas mitgeben. Eine Orange, einen Apfel oder ein Bonbon. Egal wie wenig sie selbst zum Leben haben, sie konnten uns nicht mit leeren Händen gehen sehen. Als sie dann beim Abschied unsere Hände mit ihren fest umschlossen und uns mit ihren Augen voller Liebe und Schmerz anschauten, wurde uns bewusst, wie tief der Glaube dieser Menschen ist und warum die Schwestern Woche für Woche ihre Zeit für sie aufbringen. Diese Stunden könnte man nicht besser investieren. …
… Auch im Kindergarten taten wir unser Bestes, noch so viele Ideen und Anregungen wie möglich an die Erzieher weiterzugeben. Wir hatten Prickelnadeln, Kleister, Bügelperlen, Kinderschminke und Fensterfarbe aus Deutschland besorgt und jedes einzelne dieser Miniprojekte war ein Erfolg. Wir prickelten herzförmige Karten für den albanischen Muttertag, beschrieben und bemalten sie und versahen sie am Schluss zur Freude der Kinder mit einem roten Kuss. Wir bastelten Körbchen aus Pappmaschee in Form einer halben Eierschale für Ostern. Wir bemalten die Fenster gemeinsam mit den Kindern zunächst mit Schneemännern und Schneeflocken und kurz vor unserer Abreise nochmal neu mit Schmetterlingen, Sonnen und Blumen. Beim Abschiedsfest wurde dann jedes Kind noch geschminkt und schnell war der Kindergarten voll von Piraten, Prinzessinnen, Schmetterlingen und Löwen. …
… Abschließend können wir nur nochmal betonen, wie dankbar wir dafür sind, die Möglichkeit gehabt zu haben, sechs Monate in diesem wundervollen Land zu verbringen. Wir hatten eine unglaublich schöne und lehrreiche Zeit, von der wir unser ganzes Leben lang werden zehren können. Darum vielen Dank an unsere tollen Schwestern, die uns eingeladen haben für sechs Monate Teil ihres ganz privaten Alltags zu sein; die uns aufgenommen haben als einen Teil ihrer Gemeinschaft; die wir immer alles fragen konnten, egal worum es ging; die uns so viel gelehrt haben über die Geschichte Albaniens, über ihre Kindheit im Kommunismus, über die Sprache und die Bräuche ihres Landes und vor allem über den Glauben. Durch sie haben wir einen ganz anderen Blickwinkel auf Religion und vor allem auf die katholische Kirche gewinnen können und dafür sind wir unendlich dankbar.
Und vor allem natürlich ein riesen Dankeschön an die Jürgen-Wahn-Stiftung, ohne die der ganze Aufenthalt gar nicht erst möglich gewesen wäre. Vielen Dank besonders an dich Klaus, für deine konstante Begleitung und Unterstützung aus der Ferne. Egal worum es ging, wir konnten immer auf dich zählen. Wir hoffen auf weitere Zusammenarbeit in der Zukunft. Ihr leistet wirklich Großartiges!